03.10.2015

Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein!

Ich habe schon öfters einen Post verfasst, was mich bewegt. Mich zu Themen geäußert, die mir am Herzen liegen. Heute habe ich mal wieder die Freundeliste auf Facebook gesäubert und Leute, die so eklige Sachen posten wie "wir-sind-doch-nur-Deutsche-und-haben-auch-Rechte" rausgeschmissen. Ich kann das nicht verstehen! Ehrlich nicht! Klar muss man nicht alles toll finden, was derzeit passiert rund um das Flüchtlings-Thema und ich kann auch ein klein wenig verstehen, dass manche eventuell - ob nun begründet oder unbegründet, denn das ist teilweise recht subjektiv - Ängste entwickeln, aber das gibt doch nicht das Recht dazu, angehauchtes rechtes Gedankengut in sogenannte Gut-Mensch-Posts und Videos zu verpacken. Einer brüllt und die Schafe laufen hinterher! Hatten wir das nicht alles schon mal? Ist und bleibt der Mensch ein Herdentier? Haben wir nicht alle ein eigenes Hirn, das wir auch mal zum Denken benutzen können? 

Ich lebe in einer Multi-Kulti-Stadt, habe viele Bekannte aus unterschiedlichsten Ländern mit unterschiedlichsten Religionen, Hautfarben, Vorlieben - und ich mag sie alle, weil: es sind MENSCHEN! Menschen, die teilweise nicht die gleichen Chancen hatten wie wir, die wie wir in einem Staat geboren wurden, in dem es ein Grundgesetz gibt, wo Menschenrechte und Meinungsfreiheit groß geschrieben werden, wo Gewalt und Folter verboten sind, wo kein Krieg herrscht, der unsere Existenz und Gesundheit bedroht. Mich macht das wütend, wenn etwas einfach nur nachgeplappert wird, weil es gerade in manchen Bundesländern "in" ist. Wo Menschen nur ihren eigenen Zentimeter-kleinen Horizont sehen, nicht nach links oder rechts gucken und alles nur in schwarz-weiß Kategorien einstufen. Wo bleibt die Farbe in unserer Welt? Die Hilfsbereitschaft? Die Menschlichkeit? Ich sehe teilweise nur noch puren Egoismus. Und das macht mich traurig. 


Ich denke nicht schon seit den letzten Ereignissen so, sondern lebe diese Einstellung schon immer. Habe noch nie meinen Mund gehalten, wenn es um Ungerechtigkeiten ging. Und ich habe mich mit meiner Einstellung teilweise sehr unbeliebt gemacht bei Einigen - aber das ist mir egal! Auf solche Menschen kann ich dann auch gut verzichten! Werte wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Rückgrat, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit - auch sich selbst, aber vor allen Dingen seinen Mitmenschen gegenüber, gehen immer mehr verloren. Schade! Sehr sehr schade! Denn dass ich oder jeder hier in Deutschland Geborene es als Privileg betrachten, ist die falsche Einstellung. Es war einfach nur Zufall, dass wir in ein sicheres Land hineingeboren wurden. Allerdings ist es ein Geschenk, was wir auch würdigen sollten. Und Anderen die Chance auf ein sicheres und friedliches Leben ohne Krieg und Gewalt, ohne Armut und Hunger gönnen und wünschen sollten. Sicherlich müssen die Ursachen "bekämpft" werden in den Kriegsländern, damit Niemand mehr gezwungen wird, sein Land zu verlassen. Aber auch das geht nicht von heute auf Morgen. Wir brauchen Geduld und Zuversicht, sollten selbst in unserer näheren Umgebung in die Hände spucken und mit anpacken. Jeder kann eine klitzekleine Kleinigkeit dazu beitragen und sei es "nur", Menschen mit fragwürdigem Gedankengut zur Rede zu stellen oder wenn das nicht möglich ist, zu meiden. Sich selbst hinterfragen, warum man so denkt und Ängste entwickelt und mal genau hinsehen, daheim, auf Arbeit, auf dem Spielplatz, beim Einkaufen und sehen: uns gehts gut! Klar, es könnte manchmal besser sein, aber wir dürfen rausgehen, ohne Angst zu haben, erschossen zu werden. Unsere Kinder können in die Schule, dürfen lernen, sich bilden. Haben dadurch Chancen auf ein gutes Leben. Sie können draußen spielen ohne Angst, auf eine Miene zu treten. Obst, Milch und Brot sind bei uns täglich zu kaufen. Wir müssen nicht hungern. Wir haben Ärzte und Krankenhäuser, in denen uns geholfen wird, wenn wir krank sind. Möglichkeiten und Institutionen wie Kirchen, Ämter und Beratungsstellen, in denen wir Hilfe in Anspruch nehmen können, wenn wir mal in eine Situation kommen, in der wir uns selbst nicht mehr helfen können. Das ist doch auch schon sehr viel, und sehr viel mehr, als Flüchtlinge haben. 


Ich gehöre auch zu den Einkommensgruppen,die eher an der unten Gehaltsskala angesiedelt sind, aber ich bin zufrieden, habe mich eingerichtet in meinem Leben. Habe ein Dach über dem Kopf, werde satt, habe Luxus wie PC, Handy und TV und Internet, immer Strom, der aus der Steckdose kommt, fließend warmes und kaltes Wasser, Kleidung, Zeit für Hobbys und Spaziergänge, eine kleine Familie, die ebenfalls gesund und munter ist. Und ich finde, damit bin ich schon reich! Reicher auf jeden Fall, als viele Menschen auf unserer Welt. Dankbar sein für Kleinigkeiten, für einen glücklichen Moment, den Regenbogen am Himmel nach einem Regenschauer, die Sonne am strahlend blauen Himmel, den kleinen Luxus, den man sich ab und an mal gönnt. Das wünsche ich mir von einigen Menschen, das Leben einmal aus dieser Sicht zu betrachten. Das Glas halb voll sehen und nicht halb leer. Das Gute sehen und nicht das, was man nicht hat. Vielleicht werden wir dann alle ein wenig zufriedener. Und offener für die Probleme anderer Menschen.


Heute ist der Tag der deutschen Einheit, ein geschichtsträchtiger Tag mit einer langen und traurigen Vorgeschichte - und zwar in unserem eigenen Land. Ich erinnere mich noch sehr gut an die langen Schlangen vor Geschäften nach der Maueröffnung. Die Menschenmassen, die zu uns in den "Westen" strömten. Sie waren glücklich, reisen zu dürfen. Ihre Konsumwünsche nun endlich erfüllen zu dürfen. Wir haben sie herzlich begrüßt! Auch wenn das teilweise für uns bedeutete, dass unser Supermarkt um die Ecke nach 12:00 Uhr keine Ware mehr hatte. Weil wir es verstanden haben, warum diese Menschen Nachholbedarf hatten. Reisen und ihre Meinung frei äußern wollten und es endlich konnten. Das ist jetzt gerade mal 25 Jahre her und Viele haben anscheinend die Ereignisse aus Herbst/Winter 1989 und alles was in den Monaten davor passiert ist, vergessen. Flucht über Ungarn in die Botschaften, Flucht über die Ostsee in den Westen, das erste Mal über die Mauer nach West-Berlin in der Nacht des Mauerfalls. Ich habe diese Ereignisse nicht vergessen und ich freue mich noch heute, dass Menschen endlich so leben dürfen, wie sie es sich erträumt haben. Und Träume und Wünsche für ein besseres, sicheres Leben sollten wir auch Jedem zugestehen, oder?

In diesem Sinne wünsche ich euch einen wunderschönen Feiertag und sonniges Wochenende!
Herzliebst eure Boerlinerin!

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